Wiederbelebung in der Medizin: das Lazarus-Phänomen

Nicht immer ist der Versuch einer Reanimation erfolgreich, dennoch muss dies nicht zwingend den sofortigen Tod des Betroffenen bedeuten. Es gibt in der Tat „spontane Wiederauferstehungen“ vermeintlich bereits Verstorbener, wobei gut 30 Prozent derjenigen, die einen längeren Herzstillstand erlitten haben, kaum unter größeren Folgeschäden zu leiden haben.

Es ist in der Tat mehr als mysteriös, wenn ein Mensch nicht nur wenige Minuten, sondern manchmal sogar Stunden tot war und dann ohne weiteres Zutun von Ärzten (oder vielleicht gerade deshalb) wieder ins Leben zurückfindet. In diesem Fall sprechen wir vom Lazarus-Phänomen. Im Folgenden möchten wir uns etwas damit beschäftigen, was sich wohl dahinter verbergen könnte.

Fast die Hälfte aller Intensiv- und Notfallmediziner waren schon einmal mit einem solchen Fall konfrontiert. Grund genug für das Team um Les Gordon vom Royal Lancaster Infirmary (England) das Lazarus-Phänomen näher zu untersuchen, indem 63 veröffentlichte Fallbeschreibungen seit dem Jahre 1982 unter die Lupe genommen wurden.

In all diesen Fällen waren die ärztlichen Bemühungen um eine Herz-Lungen-Wiederbelebung gescheitert und die Patienten aufgegeben worden. Trotzdem kamen sie spontan wieder zum Leben, indem ihre Kreislauftätigkeit ohne weiteres Zutun wieder einsetzte. Sehr wahrscheinlich gibt es beim Lazarus-Phänomen sogar eine große Dunkelziffer, denn so mancher Arzt befürchtet rechtliche Konsequenzen, wenn er es meldet, dass ein für tot erklärter Patient doch noch lebt.

Für ihre Auferstehung brauchen Totgesagte meistens fünf bis zehn Minuten

Interessant dabei ist, dass nur diejenigen wieder ins Leben zurückfinden, bei denen tatsächlich Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt worden sind. Das spricht dafür, dass die Reanimationsmaßnahmen in irgendeiner Weise nützlich waren, die Wirkung allerdings erst etwas verzögert eintritt.

Gordon und sein Team sprechen daher die dringende Empfehlung aus, für tot erklärte Patienten noch wenigstens zehn Minuten lang per EKG zu überwachen, der bisherige Richtwert von fünf Minuten greift zu kurz. Bleibt die Frage, wie man jenen seltenen Fällen gerecht wird, in denen das Leben erst nach Stunden zurückkehrt.

Wie steht es um bleibende Schäden nach der Auferstehung?

Ein gutes Drittel der Lazarus-Patienten überstand seinen kurzen Tod ohne schwerwiegende Folgen, obwohl insbesondere das Gehirn ein enormes Sauerstoffdefizit erfahren haben muss, wie es bei jenen nachweislich der Fall war, die nach diesem „Aufbäumen“ dann doch noch verstorben sind. Bestätigung findet diese Tatsache durch Experimente an Schweinen, deren Hirne zum Teil wiederbelebt werden konnten, nachdem die Tiere schon Stunden tot waren.

Empfehlungen zur Wiederbelebung

Bei Herzstillstand sollte die Reanimation zum Beispiel per Defibrillation mittels Elektroschock mindestens eine halbe Stunde lang fortgeführt werden, da der Herzschlag mit erheblicher Verzögerung wieder einsetzen könnte. Außerdem scheint die Beatmung mit einem zu hohen intrathorakalen Druck das Lazarus-Phänomen zu begünstigen. Dadurch wird nämlich die natürliche Ausatmung unterbunden, was zu einem Aufblähen der Lungen führt. Dies wiederum hemmt Blutfluss und Herzschlag, was den Tod vortäuschen kann.

Weil Wiederbelebungsmaßnahmen im klinischen Alltag ständig an der Tagesordnung sind, kann ein zu früher Abbruch derselben erhebliche (auch rechtliche) Konsequenzen für das medizinische Personal oder die Angehörigen nach sich ziehen.

Quelle:

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Dieser Beitrag wurde am 23.04.2022 erstellt.

René Gräber
René Gräberhttps://www.renegraeber.de
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