Procain kommt als sekundärer Pflanzenstoff in Agaven vor. Früher wurde das Lokalanästhetikum aus den Pflanzen gewonnen, wodurch die Verwendung wegen der hohen Kosten stark begrenzt war. 1905 schaffte es der deutsche Chemiker Alfred Einhorn, Procain technisch herzustellen. Der Chirurg Heinrich Braun sorgte für die Verbreitung des Lokalanästhetikums, das bei Operationen zur Betäubung genutzt wurde.
Heute wird Procain zu diesem Zweck höchstens noch in der Zahnmedizin angewendet. Daneben wird der Wirkstoff bei Mittelohrentzündungen in Form von Ohrentropfen appliziert.
Wirkung
Procain hemmt die Signal-Leitung in Nervenzellen durch eine Blockade der Natrium-Kanäle. Diese Proteine in den Membranen der Nervenzellen transportieren auf einen Reiz hin Natrium-Ionen in die Zelle. So entsteht das Aktionspotenzial, das mit einer Änderung der elektrischen Spannung über der Zellmembran verbunden ist.
Diese Hemmung der Nerven-Aktivität ist vor allem bei den sensiblen Schmerzfasern medizinisch relevant. Doch auch motorische, temperatur- und druckempfindliche Nerven werden so betäubt. Die Wirkung gegen Herz-Rhythmus-Störungen beruht auf einer Beruhigung der Herzmuskelfasern.
In geringem Umfang senkt Procain auch die Tätigkeit des Sympathicus’ und des Parasympathicus’. Dadurch kann das einstige Lokalanästhetikum gegen Beschwerden eingesetzt werden, die das vegetative Nervensystem betreffen. Daneben wurde festgestellt, dass Procain die Nebenwirkungen von Cortison lindern kann.
Die Entdeckung der Neuraltherapie
In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entdeckte der Arzt Ferdinand Huneke, dass Procaininjektionen neben der beabsichtigte Wirkung noch weitere positive Effekte hatte. Bei mehreren Patienten spritzte er die Lösung ins Bein, woraufhin Beschwerden in anderen Körper-Regionen verschwanden.
Einmal waren es die Schulterschmerzen, die plötzlich weg waren, zum anderen Mal etwa die Migräne. Daraus entwickelte Huneke die Neuraltherapie, die im typischen Fall von solchen “Fernwirkungen“ gekennzeichnet ist.
Die zweite Säule der Neuraltherapie wird als Segmenttherapie bezeichnet. Ziel dieser subkutanen Applikationen mit Procainhydrochlorid sind verhärtete Muskeln, entzündete Sehnen oder Organe, die unter den behandelten Hautstellen liegen. Die Wirkung vollzieht sich dabei über Hautnerven, die mit den darunter gelegenen Strukturen in Verbindung stehen.
Wenn die Segmenttherapie keine Besserung gebracht hat, kommt die dritte Säule der Neuraltherapie zum Einsatz: die Beseitigung von Störfeldern. Dabei injiziert der Arzt Procainhydrochlorid subkutan um den Ort der Symptome herum, sodass mehrere Quaddeln entstehen, woraus der Begriff “Quaddelung“ entstand.
Zu den Störfeldern zählen beispielsweise die Mandeln und andere lokale Entzündungen, Verletzungen, Narben sowie eine gutartig vergrößerte Prostata. Procain kann die Störfelder beseitigen, die Beschwerden bessern und positive Wirkungen im ganzen Körper zeitigen.
Der Terminus “Neuraltherapie“ stammt von dem Arzt Kurt Rüdiger von Roques. Moderne Darstellungen der Methode erarbeitete der Arzt Lorenz Fischer (Lorenz Fischer: Neuraltherapie: Neurophysiologie, Injektionstechnik und Therapievorschläge, 5. Auflage 2019, Verlag Thieme).
Procain in Kombination mit Vitalstoffen
Die rumänische Ärztin Dr. Ana Aslan kombinierte Procain mit Vitalstoffen wie Selen und Zink sowie den Vitaminen A, C und E.
Ihre “Gero-H3-Therapie“ entwickelte die Medizinerin gegen Altersbeschwerden wie Gelenkerkrankungen und Arteriosklerose sowie Kreislauf-Probleme, dem Fatigue-Syndrom und Allergien. Daneben wird die Aslan-Therapie eingesetzt bei Kopfschmerzen, Tinnitus und Polypen.
Procain ist ein lohnendes Forschungs-Objekt
Experimente an Zellkulturen und Labor-Tieren legen auch eine Wirkung bei Krebserkrankungen nahe. In mehreren wissenschaftlichen Studien konnten Forscher zeigen, dass der Wirkstoff die Teilung von Tumor-Zellen hemmen kann.
Die Arbeiten befassen sich mit Zellen von Darm- und Lungenkrebs. Diese Erkenntnisse rechtfertigen weitere Studien, in denen ein möglicher Einsatz von Procain bei krebskranken Menschen erforscht wird. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass Procain das Enzym DNA-Methylase hemmen kann. Das hört sich erst einmal unspektakulär an, aber: diese Eigenschaft könnte genutzt werden, um paragenetische Schäden der Genexpression rückgängig zu machen. Dies ist vor allem bei Schäden an sogenannten Tumorsuppressorgenen wie p53 interessant. Dieses Gen ist dafür verantwortlich „beschädigte Zellen“ zu erkennen und ihre „Selbstvernichtung“ einzuleiten.
Neben- und Wechselwirkungen von Procain
Offiziell muss ich schreiben: Procain kann bei einigen Menschen zu Herz- und Kreislaufbeschwerden sowie Krämpfen führen. Selten sind diese Nebenwirkungen so gravierend, dass Lebensgefahr besteht. Dennoch sollte sofort ein Arzt gerufen werden. Allergische Beschwerden bleiben meist örtlich beschränkt und zeigen sich durch juckende Rötungen oder Blasen.
Allerdings treten diese Nebenwirkungen meiner Erfahrung nach nur bei der Verwendung von Durchstechflaschen auf, als den „großen“ Flaschen, denen zur Haltbarmachung gewisse „Konservierungsstoffe“ zugesetzt werden. Ich rate deshalb dazu ausschließlich Procain aus Ampullen zu verwenden. Damit habe ich in über 20 Jahren Praxiserfahrung nicht eine allergische Reaktion o.ä. gesehen.
Eines muss ich aber auch noch ergänzen: Procain verstärkt die Wirkung von Parasympathomimetika und Muskelrelaxantien und setzt die Wirksamkeit einiger Antibiotika herab. Bei schwangeren Frauen gelangt der Wirkstoff auch in die Leibesfrucht und bei stillenden Müttern in die Milch. Weil zu wenig über daraus sich ergebende Probleme bekannt ist, sollte dieser Personenkreis auf Procain verzichten.
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Dieser Beitrag wurde am 04.11.2021 erstellt und am 25.1.2022 ergänzt.25