In meinem Beitrag „Noch nie war das Essen so giftig wie heute“ ging ich auf die Belastungen ein, die unsere Nahrungsmittel immer und immer mehr „auszeichnen“. In diesem Fall sind dies Pestizide, Herbizide etc. Aber leider ist diese Sorte Chemie nicht die einzige unphysiologische Substanzklasse, die inzwischen Teil unserer Ernährung geworden zu sein scheint.
Da gibt es noch die Weichmacher aus Plastikprodukten, wie Phthalat, Bisphenol-A etc., die eine östrogenartige, hormonelle Wirksamkeit besitzen:
Und dann gibt es da noch Mineralölrückstände genannt MOSH und MOAH, zwei verwandte Substanzen, die in etlichen Nahrungsmitteln zu finden sind:
- Maschinenöl in Schokolade – klingt unglaublich, scheint aber die Regel zu sein
- Labello & Co: Lippenpflegestifte mit potenziell krebserregenden Stoffen?
- Giftiges Mineralöl im Essen
- Nutella mit krebserregenden Inhaltsstoffen?
- Nuss-Nougat-Cremes im Öko-Test – wohl eher eine Katastrophe
- Parmesan im Ökotest – Ergebnis: Mineralöl im Käse und leidende Kühe
- Olivenöl – der gesunde Alleskönner hält oft nicht, was er verspricht
- Meine giftige Schokolade – Cadmium und Blei in über 45 Schokoladenmarken
- Vanillegeschmack durch Kuhdung, Kunststoff und Altpapier
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Was ist/sind MOSH/MOAH?
Die Bezeichnungen MOSH und MOAH stehen für englische Begriffe:
MOSH = mineral oil saturated hydrocarbons
MOAH = mineral oil aromatic hydrocarbons
Diese Begriffe bedeuten Folgendes:
MOSH steht für „gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe“
MOAH steht für „aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe“
Beides sind zwei unterschiedliche chemische Verbindungen, die im Mineralöl vorkommen. Zu MOSH gehören Paraffine und Naphthene, die aus dem Erdöl stammen oder durch chemische Prozesse bei der Raffinierung gebildet wurden.
Die MOAH-Fraktion enthält Verbindungen mit aromatischen Ringen (daher das A in der Abkürzung). Der Anteil von MOAH beträgt im Mineralöl ca. 20 %.
Bei der Suche nach wissenschaftlicher Literatur zu diesen Verbindungen zeigte sich eine auffallende Häufung von Arbeiten, die sich um analytische Methoden bemühten. Denn es scheint nicht leicht zu sein, mit den gängigen Analysemethoden MOSH und MOAH zuverlässig voneinander zu trennen. In dem Zusammenhang tritt dann der Begriff MOH auf, der „mineral oil hydrocarbons“ bedeutet und sowohl MOSH als auch MOAH beinhaltet.
Einsatz der MOSH – „Mineralöle“
Viele der zuvor erwähnten wissenschaftlichen Arbeiten, die bei meiner Suche auftauchten, beschäftigen sich neben den Analysemethoden für MOSH/MOAH insbesondere mit Produkten des täglichen Lebens und der Frage, wie und warum hier MOH zu finden ist.
Hier werden verschiedene Möglichkeiten identifiziert, wie MOH in diese Produkte gelangt. Angesichts der Tatsache, wie weit verbreitet diese Mineralöle im täglichen Leben sind, ohne dass wir uns dessen bewusst sind, erscheinen die wissenschaftlichen Befunde wenig überraschend in einem anderen Licht.
Kosmetika: So lassen sich diese Mineralöle in Kosmetika finden, von Baby-Öl bis zum Lippenstift.
Industrie: Es wird in der Industrie als Kühlmittel verwendet, als Pflegeöl für Jutefasern, die für die Textilherstellung ausgewählt wurden, als Schmiermittel für „ältere“ Kühlschränke und für die Kompressoren von Klimaanlagen.
Nahrungsmittel: Eine der vorrangigen Fragen war auch, wie MOH und seine Unterfraktionen in Nahrungsmittel gelangen kann.
Ein typisches Beispiel hierfür ist Folgendes:
Aufgrund seiner Eigenschaften, die die Wasseraufnahme verhindern, und seiner Geschmacks- und Geruchsneutralität ist Mineralöl (in sogenannter „Lebensmittelqualität“) ein beliebtes Konservierungsmittel für hölzerne Schneidebretter, Salatschüsseln und Utensilien.
Durch regelmäßiges Einreiben von Küchengeräten aus Holz mit einer kleinen Menge Mineralöl wird die Absorption von Lebensmittelflüssigkeiten und damit auch von Lebensmittelgerüchen verhindert. Allerdings wird ein Teil des auf diesen Gegenständen verwendeten Mineralöls, wenn es mit Lebensmitteln in Berührung kommt, von diesen aufgenommen und somit verschluckt.
Außerhalb der Europäischen Union wird Mineralöl in der Lebensmittelindustrie verwendet, insbesondere für Süßwaren. Hier wird es in der Regel wegen des Glanzeffekts verwendet, den es erzeugt, und um zu verhindern, dass die Bonbonstücke aneinander haften bleiben. Von der Verwendung in Kinderlebensmitteln wurde zwar abgeraten, ist aber immer noch in vielen Süßwaren zu finden.
Medizinische Anwendungen: Mineralöl hat eine abführende Wirksamkeit, indem es die Resorption von Wasser im Darm zurückhält und dadurch den Stuhl „verdünnt“. Hier gibt es orale und rektale Darreichungsformen.
Mineralöl wird zeitweise auch als Geleitmittel eingesetzt, zum Beispiel bei einem Einlauf oder als vaginales Geleitmittel.
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Wie gefährlich / giftig sind MOSH?
Es gibt auffallend wenig Literatur zur Toxizität von MOSH und MOAH. Die Wissenschaftler scheinen sich lieber mit Analyseverfahren und Fragen zum Übergang dieser Substanzen in Nahrungsmittel zu beschäftigen.
Dabei wäre die Frage nach der Schädlichkeit dieser beiden Substanzgruppen die Nächstliegende, wo man bereits jetzt zur Genüge hat feststellen können, wie häufig MOH in Lebensmitteln und anderswo zu finden ist.
2020 erschien eine Arbeit[1] aus Großbritannien und China, die die „Allgegenwärtigkeit von MOH in der menschlichen Ernährung“ konstatierte. Die Autoren bügelten zuvor gemachte Beobachtungen von Akkumulationen von MOH in der Leber damit ab, dass die beobachteten Granulome selten und zudem nicht mit Entzündungsprozessen verbunden seien. Daher hätte diese Beobachtung keine Signifikanz für die menschliche Gesundheit.
Wer schreibt hier? Niemand Geringeres als die Lebensmittelindustrie, in diesem Fall Mars Incorporated! Dies erinnert mich lebhaft an die Tabakindustrie in den 1960er und 1970er Jahren, die ebenfalls mit „wissenschaftlichen“ Arbeiten aufwartete, die das Rauchen als völlig unproblematisch und für die menschliche Gesundheit bedenkenlos darstellten.
Bereits im Jahr 2019 gab es eine Veröffentlichung[2] aus Deutschland, die der Frage nach der Schädlichkeit von MOH nachging, nicht zuletzt weil diese so häufig und in vielen Produkten vorkommen. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass MOSH und MOAH zwar sehr häufig vorkommen, aber es keinen Hinweis auf schädigende oder gar krebserregende Wirkung gäbe.
Die Begründung für die Sicherheit im Umgang mit MOH liegt laut Annahme der Autoren darin, dass durch den jahrelangen und ausgedehnten Einsatz von MOH bereits eine indirekte Dokumentation der Sicherheit dieser Substanzgruppen vorläge.
Außerdem gäbe es keine klinischen und epidemiologischen Hinweise auf negative gesundheitliche Auswirkungen.
Oder mit anderen Worten: Ähnlich wie bei den „Coronaimpfungen“ hat man hier ohne entsprechende Studien Substanzen auf die Bevölkerung losgelassen, die jetzt als Versuchskaninchen zu zeigen hat, ob MOH gesundheitsschädlich ist oder nicht.
Der Zusatz vom Fehlen von klinischen und epidemiologischen Belegen für eine gesundheitsschädigende Wirkung von MOH ist reiner Zynismus, angesichts der Tatsache, dass solche Arbeiten nie durchgeführt wurden. Wenn man derartige Arbeiten nicht durchführt, ist es klar, dass sie fehlen. Daraus machen die Autoren aber einen Beleg für die Sicherheit von MOH.
Wer schreibt hier? Niemand Geringeres als das „Bundesinstitut für Risikobewertung“.
Eine Arbeit[3], frisch aus der Druckerei, vom Januar 2023, lässt bereits in der Überschrift durchblicken, dass MOSH keine Relevanz für negative gesundheitliche Effekte habe. Die Autoren beschreiben hier ihre Arbeit als eine tiefgründige Sondierung mithilfe eines „Widrigkeitsrahmens“ (adversity framework), mit dem sie eine Evidenzanalyse durchgeführt hatten.
Die seltsame und geschwollene Umschreibung dessen, was da gemacht wurde, lässt das Ergebnis bereits im Voraus vermuten: Die bloße Anwesenheit von MOSH sei nicht gleichbedeutend mit einer Gefahrenerkennung und könne daher nicht als nachteilig eingestuft werden.
Und deshalb sollte man bei der Beurteilung von gesundheitlichen Maßnahmen dieses nicht vorhandene Risiko mit in Betracht ziehen. Oder in anderen Worten: MOH und Co. KG sind kategorisch aus der Liste potenziell gesundheitsgefährdender Stoffe zu streichen.
Und wer schreibt hier? Niemand Geringeres als die Ölindustrie, vertreten durch Exxon, Shell etc.
Das mit der Tabakindustrie von damals erfährt hier seine nahtlose Fortsetzung, wie man unschwer erkennen kann.
Gesucht und (fast) was gefunden
Im Jahr 2017 erschien eine Arbeit[4] einer Gruppe von Wissenschaftlern aus Norwegen Frankreich und der Schweiz, die sich mit MOSH und autoimmuner Arthritis in Ratten beschäftigte. Den Ratten wurde im Verlauf von 90 Tagen MOSH in verschiedenen Konzentrationen zugeführt. Die Autoren konnten bei den Tieren keine Anzeichen für eine autoimmune Arthritis finden.
Mein Fazit: Es gibt so gut wie keine Arbeiten zur Frage der krebserregenden Wirksamkeit von MOSH. Da muss man sich nur wundern, warum das Thema Arthritis untersucht wurde, zumal die Autoren selbst bemerken, dass sie keine arthritisauslösenden Eigenschaften von MOSH erwartet hatten.
Ein Autorenteam aus der Schweiz, Frankreich und Norwegen veröffentlichte 2017 eine Arbeit[5] zur Akkumulation von MOSH in Ratten. Sie sahen hier eine Akkumulation von MOSH im Fettgewebe.
In der Leber und Milz zeigte sich eine Akkumulation von langkettigen MOSH-Substanzen mit 30 und mehr Kohleatomen. Die in der Überschrift versprochene Risiko-Einschätzung fiel jedoch aus, jedenfalls im Abstract.
Annähernd das gleiche Team veröffentlichte dann im Jahr 2019 eine ähnlich konstruierte Arbeit[6], die zu dem Ergebnis kam, dass bei den Raten eine Erhöhung des Gewichts von Leber und Milz beobachtet wurde, sowie Veränderungen der Zell- und Gewebestruktur in der Leber.
2018 gab es dann eine Schweizer Arbeit[7], die eine toxikologische Einschätzung von MOH in Nahrungsmitteln vorzunehmen vorgab. Auch hier zeigte das Abstract nur eine methodische Einschätzung einer Bestimmung von toxikologischen Eigenschaften.
Der Autor empfiehlt keine Limitierung (ich schätze im Sinne von Grenzwerten) für MOSH-Substanzen mit maximal zwei aromatischen Ringen. Ich halte das für eine bloße Einschätzung, da auch in dieser Arbeit hierfür keine toxikologischen Grundlagen präsentiert wurden (wenigstens nicht im Abstract).
Der Autor tritt aber immerhin dafür ein, dass Mineralöle in Lebensmitteln nichts zu suchen haben.
Fazit
Die wissenschaftliche Literatur zur Toxizität von MOSH und MOAH ist erschreckend dünn gesät. Und das, was sich als Toxizitätsstudie ausgibt, ist in Sachen Aussagen zur gesundheitsgefährdenden Wirkung von MOH praktisch nutzlos.
Und das BfR ist sich nicht zu schade, den weit verbreiteten, undokumentierten, fast grenzenlosen Einsatz dieser Substanzen als aussagekräftige Studie zur Sicherheit von MOH zu verkaufen.
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Quellen:
- [1] Evaluating the risk to humans from mineral oils in foods: Current state of the evidence – PubMed
- [2] Mineral oil in food, cosmetic products, and in products regulated by other legislations – PubMed
- [3] Lack of human-relevant adversity of MOSH retained in tissues: Analysis of adversity and implications for regulatory assessment – PubMed
- [4] Effect of dietary pristane and other saturated mineral oils (MOSH) on autoimmune arthritis in rats – PubMed
- [5] Mineral oil saturated hydrocarbons (MOSH) in female Fischer 344 rats; accumulation of wax components; implications for risk assessment – PubMed
- [6] Toxic effects of mineral oil saturated hydrocarbons (MOSH) and relation to accumulation in rat liver – PubMed
- [7] Toxicological Assessment of Mineral Hydrocarbons in Foods: State of Present Discussions – PubMed
Dieser Beitrag wurde am 11.02.2023 erstellt.